#2 – Interview mit Thorsten Seif von Buback // Corona-Special

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„Ein Großteil der Livestream-Events via soziale Medien finde ich langweilig und wird den jeweiligen Performances in keiner Weise gerecht“

Moin und hallo zum zweiten CORONA-SPECIAL unserer Interviewreihe FRAGWUERDIG!

Heute begrüßen wir Thorsten Seif! Er ist einer der Geschäftsführer und Booking-Verantwortlichen von der Buback Tonträger GmbH. Auch mit ihm haben wir über die Auswirkungen und Chancen von COVID-19 auf die Musikbranche gesprochen, wie er mit seinem Unternehmen diese Krise übersteht und wie er die Zukunft der Branche einschätzt. Viel Spaß beim lesen!

P.S.: Hier geht’s zum ersten Interview mit Alexander Schröder von Redfield Records!

 

Spätestens seit Bambule im Jahr 1998 ist Buback aus der deutschen Musiklandschaft nicht mehr wegzudenken. Feste Größen aus dem Bereich Hip-Hop haben bei euch ein festes zu Hause. Und vor zwei Jahren konntet ihr euer 30-jähriges Jubiläum feiern. Über die Jahre hatte euer Team sicherlich einige Höhen und Tiefen, aber die aktuelle Situation hat vollkommen andere Dimensionen. Hat sich deine tägliche Arbeit durch die Corona-Krise maßgeblich verändert? Wenn ja, wie unterscheidet sie sich von der „Normalität“?

Corona hat weltweit alles verändert. Mit Ausnahme von ein paar Krisengewinnern sind die Einschläge und Auswirkungen auf fast alle Branchen enorm. Speziell am Popmusik-Livegeschäft ist wahrscheinlich das unsere Branche als erstes direkt (ab Mitte März 2020) keinerlei Einnahmen mehr hatte. Dazu kommt, dass die Livebranche ebenfalls wahrscheinlich der letzte Wirtschaftszweig ist, der irgendwann wieder hochgefahren wird. Wir sind zwar auch als Musiklabel tätig. Hier macht der Umsatz aber nur einen Bruchteil vom Gesamtumsatz aus. Unsere Konzertabteilung ist nun damit beschäftigt ständig, bereits gebuchte und vereinbarte Konzerte, zu verschieben. Erst von Frühjahr auf Herbst. Vorausschauend nun von Herbst 2020 auf Frühjahr 2021 usw.

Southside & Hurricane: abgesagt! Rock am Ring & Rock im Park: abgesagt! Jegliche Art von Großveranstaltung sind – Stand heute – bis 31. August verboten. Die zeitliche Entwicklung der Pandemie und deren Auswirkungen auf die Live-Event-Branche sind nicht wirklich abzusehen. Ob geplante Konzerte, Festivals und Touren diese Jahr überhaupt noch stattfinden, steht in den Sternen. Wie geht ihr damit um, nicht kurz- und mittelfristig planen zu können und was sagt ihr den Künstlern in eurem Roster?

Einen wirklichen Umgang mit dieser Krise gibt es nicht. Alle sind über die Pandemie unterrichtet und verfolgen die Maßnahmen und Lockerungen der Regierung. Es gibt die Optimisten die an eine frühe Gewährleistung eines Impfstoffes glauben und damit einhergehend mit einer schnellen Fortsetzung des Konzertbetriebes. Zu denen gehöre ich nicht. Ich gehe davon aus das wird sich alles noch weit in 2021 ziehen. Am Ende können wir alle nur abwarten. Dies gilt auch für die Künstler mit denen wir zusammenarbeiten.

Wie hast du dich / eure Firma für so eine Krisensituation gewappnet? Ist es überhaupt möglich, sich auf so etwas vorzubereiten?

Unsere Firma gibt es nun seit 33 Jahren. Der Anspruch eines langjährig etablierten Unternehmens sollte letztendlich sein das es, wenn es mal in eine Krise schlittert, nicht gleich nach 2-3 Monaten die Pforten schließen muss. Wir haben für unsere Mitarbeiter*innen Kurzarbeit angemeldet. Wenn die Veranstaltungsbranche aber keine weiteren Hilfsgelder seitens der Regierung gibt, werden viele Unternehmen, spätestens im Herbst, dicht machen müssen. Wir schaffen es momentan noch einigermaßen gut durch die Krise zu kommen.

Fühlt ihr euch durch diese außergewöhnliche Situation kreativ eingeschränkt? Oder, darüber hinaus, finanziell und existenziell bedroht?

Kreatives arbeiten gibt es in solchen Situationen nicht. Alles konzentriert sich darauf zu schauen wie man als kleines Unternehmen am Markt bestehen bleiben kann.

Eure Ursprünge liegen im Punk und dem Hip-Hop – wobei ihr nie ein reines Hip-Hop- Label sein wolltet. Heute signt ihr „…anspruchsvolle, deutsche Popmusik.“ Ihr bezeichnet euch selbst dabei gerne musikalisch als „Kraut-und-Rüben-Laden“. Nichtsdestotrotz habt auch ihr neue Künstler in eurem Roster. Wie könnt ihr in diesen schwierigen Zeiten einen Newcomer langfristig und erfolgreich aufbauen? Wie ist eure Herangehensweise bei der Vermarktung?

Es war für uns als Label immer eine schwierige Aufgabenstellung nicht spezifisch für ein Genre zu stehen sondern Musik zu veröffentlichen, welches auch das breite Spektrum des eigenen Musikgeschmacks widerspiegelt. Wenn wir z.B. aus Begeisterung eine Jazzplatte veröffentlicht haben, hatten wir gar keinen Zugriff zu den entsprechenden Promotionkanälen für diese Art von Musik. So mussten wir in der Vermarktung immer wieder von vorne anfangen. Dies war uns aber stets wichtig. Da wir auch immer ein inhaltlich getriebenes Label waren, wurde die Vermarktung von z.B. politischer Musik, die letzten Jahre durchaus schwieriger. Musikpresse ist nur ein Baustein der kaum noch vorhanden ist. Heutzutage musst Du als Label alle Kanäle, die es in der Musikvermarktung gibt, bedienen. Online Promotion, soziale Medien, digitale Distribution, Presse, Radio usw. Das ist kostenintensiv und rechnet sich oftmals nicht. Am Ende des Tages haben wir unsere Kontakte und Kanäle und hoffen das die Musik darüber zu den Hörer*innen findet.


Thorsten und sein Team machen u.a. das Booking für Samy Deluxe.
Aus aktuellem Anlass hat er einen neuen Song released.

Hunderte Livestream-Konzerte auf Instagram täglich, Patreon- und Crowdfunding- Plattformen explodieren förmlich. Ist das die richtige, oder vielleicht sogar einzige Herangehensweise für Bands und Künstler, die Krise zu überstehen? Was rätst du Künstlern ohne Label und Management im Rücken?

Ein Großteil der Livestream-Events via soziale Medien finde ich langweilig und wird den jeweiligen Performances in keiner Weise gerecht. Sound- und Bildqualität sind schlecht und inhaltlich ist das meist nicht besonders originell. Ich halte diese Maßnahmen für angebracht um auf die prekäre Situation bestimmter Kulturinstitutionen hinzuweisen und im besten Fall Geld zu sammeln. Für Clubs, Künstler etc. zählt nun jeder Cent.

Viele Touren, Konzerte und Festivals mussten sehr kurzfristig abgesagt werden. Das ergibt einen massiven Einschnitt in das Live-Geschäft. Die Konzertagentur ist auch bei euch ein wichtiges Standbein. Eine „große“ Agentur kann solche Ausfälle vielleicht eher verschmerzen, als kleine Agenturen und Start-Ups. Wie geht ihr damit um? Oder sind gerade die Big Player genau so bzw. noch stärker betroffen?

In Krisenzeiten gilt, wer die meisten Rücklagen hat kann am längsten überleben. Im Endeffekt leiden alle darunter das es keine Einnahmen mehr gibt. Auch große Konzerne wie Eventim sind zwar immens solvent, haben dafür aber tausende Mitarbeiter*innen und quasi keine Einnahmen. D.h. diese Firmen haben durchaus auch ihre Schwierigkeiten. Ich denke am Ende des Tages geht es für mindestens 50% der Branche nicht ohne weitere Hilfsmaßnahmen seitens der Politik.

Dass diese Situation viele Schwierigkeiten, Herausforderungen und Gefahren mit sich bringt steht außer Frage. Hast du und euer Team einen Weg gefunden, trotz dessen einen positiven Nutzen aus der Krise für dich/euch zu ziehen?

Interessant war zu erfahren was eine erzwungene Arbeitspause für Auswirkungen auf den Blick auf unser bestehendes Arbeitssystem samt kapitalistischer Wachstumsdoktrin hat. Ich denke viele Menschen hatten und haben latent das Gefühl die Leistungsvorgaben sind sehr hoch, wohl zu hoch, und können nicht dem entsprechen was wir als gutes Leben empfinden. Es bleibt spannend wie es nach Corona weitergeht.


THARA
Neu im Booking von Buback

In den Medien war in letzter Zeit oft die Rede von systemrelevanten Berufsgruppen. Welchen Stellenwert rechnest du Musikern, (Festival-) Veranstaltern, Musikmanagern, Labels, etc. in diesem Kontext zu? Ist Unterhaltung bzw. Kultur systemrelevant?

Kultur welche Film, Theater, Konzerte jeglicher Couleur etc. repräsentiert ist definitiv systemrelevant. Kultur ist ein wichtiger Teil der Bildung und gehört somit zu einer der tragenden Säulen einer Gesellschaft. Auch wenn vieles im Popbereich dem schnöden Entertainment zugerechnet werden kann, darf auch diese Sparte nicht ausgeklammert werden wenn wir von Kultur sprechen. Ich würde hier nicht allzu stark unterscheiden und verschiedene Kulturzweige gegeneinander ausspielen.

Nehmen wir an die Krise ist vorbei. Gibt es Strategien, Vorgehen oder Prozesse, die bei euch durch die Krise überdacht werden und künftig anders ablaufen werden, wenn die „Normalität“ wieder einkehrt?

Wir werden künftig sicherlich versuchen unser Geschäft bewusster zu betreiben. Auch wir haben uns hier und da etwas übernommen, versucht zu viele Projekte auf einmal umzusetzen und etwas getrieben agiert. Ich hoffe es kommt insgesamt, gesellschaftlich, zu einer Besinnung.

Was ist deine persönliche Einschätzung für die Branche bis zum Ende diesen Jahres? Werden im Herbst wieder Club-Konzerte stattfinden? Können wir im Sommer doch schon wieder kleine Festivals besuchen? Oder müssen wir uns noch bis nächstes Jahr (oder vielleicht sogar noch länger) gedulden, bis Musikveranstaltungen veranstaltet werden wie gewohnt?

Ich gehe davon aus das dieses Jahr keine Pop- und Rock Konzerte mehr stattfinden werden. Wenn überhaupt, dann in Clubs welche zu 30% ausgelastet sein dürfen. Das macht für mich keinen richtigen Sinn. Theater und Klassik hat es da einfacher. Das sind subventionierte Bereiche die auch mit geringer Auslastung bespielt werden können. Auch wenn Schauspieler*innen und Klassik Musiker*innen auch lieber vor vollen Häusern auftreten. Genau genommen denke ich kann der Pop-Konzertbetrieb erst wieder aufgenommen werden wenn ein Impfstoff gefunden ist.

Hast du Ratschläge oder „tröstende Worte“ für andere Labels, Agenturen und Kollegen aus der Branche?

Auf jeden Fall sollten wir alle darauf achten unser Geschäft künftig besonnen, ehrlich und möglichst transparent zu betreiben. Mögliche Margen waren am Limit. Die Eintrittspreise für Tickets stiegen stetig. Vieles, im Konzertbereich, war „am Anschlag“. Wenn wir alle künftig etwas bewusster miteinander arbeiten können wir etwaigen turbokapitalistischen Entwicklungen entgegentreten.

 

Abschließend empfehlen wir euch noch: MUSIK DIGGEN mit Buback! Bzw. mit Buback ihreseine KünstlerInnen. Die Lieblingstracks von Sookee, Anger, Lenki Balboa, Chefboss… Da kommen sie noch alle, Die Goldies, Die Heiterkeit, dies das Ananas. Es wird nie langweilig. Schaut und hört doch mal rein:

 

 

Vielen Dank an Thorsten Seif, dass er sich die Zeit für unser Interview genommen hat! 

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